Welche Pflichten ergeben sich für Unternehmen aus der REACH-Verordnung? Eine Einführung

12. November 2024
LLP Law | Patent

Die REACH-Verordnung (Registration, Evaluation, Authorisation and Restriction of Chemicals) ist eine der zentralen gesetzlichen Regelungen der Europäischen Union im Bereich des Chemikalienmanagements. Sie wurde im Jahr 2007 eingeführt, um die Risiken, die von Chemikalien für Mensch und Umwelt ausgehen, zu minimieren.

Grund für die Einführung von REACH war die Erkenntnis, dass die Bewertung und Kontrolle zahlreicher chemischer Substanzen, die in alltäglichen Produkten zu finden sind, unzureichend ist. Viele Chemikalien waren nicht ausreichend getestet, sodass ihre möglichen Langzeitfolgen auf Umwelt und Gesundheit unbekannt blieben. REACH verpflichtet daher Lieferanten, Hersteller und Importeure von Chemikalien, diese zu registrieren und umfassende Daten über ihre potenziellen Risiken vorzulegen.

Eine zentrale Rolle bei der Umsetzung von REACH spielt die Europäische Chemikalienagentur (ECHA). Ihre Hauptaufgabe besteht darin, die Einhaltung der Verordnung zu überwachen, die Registrierung und Bewertung von Chemikalien zu koordinieren sowie wissenschaftliche und technische Unterstützung zu leisten.

Darüber hinaus hilft die ECHA dabei, besonders besorgniserregende Stoffe zu identifizieren und mögliche Restriktionen oder Verbote vorzuschlagen. Der folgende Artikel beschäftigt sich mit der Frage, welche Pflichten Unternehmen aus der REACH-Verordnung treffen und was sie dabei beachten müssen.

Wichtige Begriffe und Definitionen aus der REACH-Verordnung

Bevor wir genauer auf die Pflichten eingehen können, die sich aus der REACH-Verordnung für Unternehmen ergeben, müssen zunächst die Begrifflichkeiten der Verordnung geklärt werden. Wichtig ist zum einen die Unterscheidung zwischen „Erzeugnissen“, „Stoffen“ und den sog. „SVHC“s im Sinne der Verordnung. Ebenso die Differenzierung zwischen „Lieferanten“, „Importeuren“ und „Produzenten“.

Diese Unterscheidungen sind wichtig, um im Folgenden feststellen zu können, welche Pflichten der REACH-Verordnung ein Unternehmen überhaupt erfüllen muss.

Stoffe und Erzeugnisse

Am Anfang steht stets die Frage, ob es sich bei dem Produkt, das ein Unternehmen vertreibt, um einen Stoff oder ein Erzeugnis handelt. „Stoffe“ sind grundsätzlich chemische Substanzen, also Chemikalien. Artikel 3 Nr. 1 der REACH-Verordnung definiert einen Stoff konkret als „chemisches Element und seine Verbindungen“. Werden mehrere Stoffe vermengt oder vermischt spricht die Verordnung von einem „Gemisch“. Alltägliche Beispiele von Stoffen bzw. Gemische sind beispielsweise Farben, Reinigungsmittel, Kerzen, Metallbarren, etc.

Die entsprechende Definition eines „Erzeugnisses“ ergibt sich aus Artikel 3 Nr. 3 REACH: Ein Erzeugnis ist ein „Gegenstand, der bei der Herstellung eine spezifische Form, Oberfläche oder Gestalt erhält, die in größerem Maße als die chemische Zusammensetzung seine Funktion bestimmt“. Beispiele hierfür sind Drähte, Verpackungen, Metallrohre, usw.

Entscheidend für die Differenzierung zwischen Erzeugnis und Stoff ist das Wort „Funktion“. Die richtige Frage lautet nun: Ist die chemische Zusammensetzung oder die physischen Eigenschaften (Form, Oberfläche, Gestalt) wichtiger für die Funktionalität des Produktes?

Überwiegt die Bedeutung der chemischen Zusammensetzung, handelt es sich um einen Stoff. Sind vor allem die physischen Eigenschaften dafür entscheidend, dass das Produkt seine vorgesehene Funktion erfüllen kann, ist es ein Erzeugnis.

Komplexe Gegenstände

Werden mehrere Erzeugnisse zusammengesetzt oder verbunden, spricht man von einem „komplexen Gegenstand“ oder „komplexen Produkt“. Ein einfaches Beispiel: Sowohl Tischplatte, als auch Tischbeine oder einzelne Schrauben sind jeweils ein Erzeugnis. Setzt man diese einzelnen Erzeugnisse nun zusammen erhält man ein „komplexes Produkt“ namens Tisch.

In der Praxis hat man es natürlich meist mit komplizierteren Produkten zu tun. So besteht eine mit elektronischen Bauelementen bestückte Leiterplatte sowohl aus Erzeugnissen (Leitungen etc.), komplexen Gegenständen (Kondensatoren, Mikroprozessoren, etc.) als auch aus Stoffen bzw. Gemischen (Lacke, Klebstoff etc.).

Komplexe Gegenstände sind ebenso wie Erzeugnisse im Sinne der REACH-Verordnung zu behandeln. Dies bestätigt auch ein Urteil des EuGH (C-106/14). Die Pflichten, die für die Lieferanten von Erzeugnissen gelten, gelten also auch für die Lieferanten von komplexen Gegenständen.

Besonders besorgniserregende Stoffe – SVHCs

Die REACH-Verordnung geht mit unterschiedlichen Stoffen unterschiedlich um. Entscheidend ist dabei vor allem die Gefahr, die von diesen Stoffen ausgeht. So gibt es zum einen Stoffe, die einem Zulassungsverfahren unterliegen, als auch Stoffe deren Einsatz komplett verboten oder zumindest beschränkt ist. Für die folgenden Pflichten relevant sind vor allem die sogenannten SVHCs (substances of very high concern). Hiermit sind besonders gefährliche Stoffe gemeint, die für eine Zulassung gemäß REACH-Verordnung in Frage kommen.

Diese Stoffe sind auf der sogenannten Kandidatenliste zu finden. Diese Liste ist stets online auf der Website der ECHA abrufbar (https://echa.europa.eu/de/candidate-list-table) und wird alle sechs Monate ergänzt. Unternehmen sollten sich also regelmäßig einen Überblick über die neu aufgenommenen Stoffe verschaffen.

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Wen betreffen die Pflichten der REACH-Verordnung?

Werfen wir nun einen Blick auf diejenigen Wirtschaftsakteure, die von den Pflichten betroffen sind, die sich aus der REACH-Verordnung für den Import, die Herstellung und den Vertrieb von Erzeugnissen ergeben.

Lieferant“ i. S. d. Verordnung ist ein Überbegriff für sämtliche Importeure, Produzenten und sonstige Akteure, die entweder mit Erzeugnissen handeln oder diese importieren. Auch der Einzelhändler am Ende der Lieferkette ist betroffen.

Produzenten“ produzieren das Erzeugnis auf EU-Gebiet. Das geografische Ziel des weiteren Vertriebs ist dabei irrelevant.

Importeure“ sind diejenigen Unternehmen mit Sitz in der EU, die Erzeugnisse erstmals in die EU einführen. Importiert ein solches Unternehmen ein „komplexes Produkt“, importiert es gleichzeitig die einzelnen Erzeugnisse, aus denen sich dieses „komplexe Produkt“ zusammensetzt.

Welche Pflichten ergeben sich aus der REACH-Verordnung für Unternehmen?

Geht es um den Vertrieb von Erzeugnissen, kennt die REACH-Verordnung zum einen die Registrierung und Anmeldung von Stoffen in Erzeugnissen gem. Artikel 7 Absatz 1 und 2 der REACH-Verordnung, zum anderen die Informationspflichten in der Lieferkette aus Artikel 33 REACH. Schauen wir uns im Folgenden nun an, für wen die jeweiligen Pflichten gelten, welche Stoffe bzw. Erzeugnisse umfasst sind und welche Voraussetzungen bzw. Einschränkungen relevant sind.

Registrierung von Stoffen in Erzeugnissen (Artikel 7 Absatz 1 REACH)

Sowohl Importeure als auch Produzenten von Erzeugnissen müssen unter bestimmten Voraussetzungen ein Registrierungsdossier über die enthaltenen Stoffe bei der ECHA einreichen. Dieses Dossier enthält alle relevanten Informationen über die Stoffeigenschaften und mögliche Risiken.

Die Registrierungspflicht greift allerdings nur dann, wenn das Erzeugnis bei seiner korrekten bzw. planmäßigen oder vorhersehbaren Anwendung Stoffe freisetzt. Es geht also darum, ob der Mensch oder die Umwelt dem jeweiligen Stoff ausgesetzt wird. Diese Pflicht ist für einen Importeur bzw. Produzenten zudem nur dann relevant, wenn in den Erzeugnissen des Unternehmens jährlich mehr als eine Tonne des jeweiligen Stoffes enthalten ist. Die Pflicht gilt ebenfalls dann nicht, wenn der enthaltene Stoff schon für die entsprechende Verwendung bei der ECHA registriert wurde.

Anmeldung von Stoffen in Erzeugnissen (Artikel 7 Absatz 2 REACH)

Auch die Anmeldepflicht verpflichtet sowohl Importeure als auch Produzenten eines Erzeugnisses. Enthält das Erzeugnis SVHC, also Stoffe der Kandidatenliste, muss das jeweilige Unternehmen der ECHA Informationen über den jeweiligen Stoff und dessen Verwendung bereitstellen.

Diese Pflicht greift ebenfalls nur dann, wenn in den Erzeugnissen des produzierenden bzw. importierenden Unternehmens jährlich mehr als eine Tonne eines solchen SVHC enthalten ist. Eine weitere Voraussetzung ist, dass der Anteil des SVHC mehr als 0,1 % (w/w) Masseprozent enthält. Unterhalb dieser beiden Grenzen treffen Importeure und Produzenten keine Anmeldepflichten aus Art. 7 REACH.

Aber auch bei einem Anteil an SVHC oberhalb dieser Grenzen greift die Anmeldepflicht nicht, wenn eine der folgenden Ausnahmen vorliegt:

  • Bei korrekter und vorhersehbarer Anwendung des Erzeugnisses wird kein SVHC freigesetzt
  • Der Stoff wurde bereits für diese Verwendung bei der ECHA registriert
  • Das jeweilige Erzeugnis wurde importiert bzw. produziert bevor die ECHA den relevanten Stoff in die Kandidatenliste aufgenommen hatte.

Informationspflichten über Stoffe in Erzeugnissen (Artikel 33 REACH)

Auch die Informationspflicht gem. Artikel 33 Absatz 1 und 2 REACH bezieht sich nur auf Erzeugnisse, die über 0,1 % (w/w) Masseprozent an SVHC enthalten. Betroffen sind von dieser Pflicht sämtliche Lieferanten – neben Produzenten und Importeuren also z.B. auch Einzelhändler weiter hinten in der Lieferkette.

Enthält ein Erzeugnis mehr als die kritische Menge an SVHC treffen den Lieferanten nun zwei verschiedene Pflichten:

  • Informationspflicht gegenüber Abnehmern – Der Lieferant muss seinen Abnehmern unaufgefordert den Namen des kritischen Stoffes, der in seinem Erzeugnis enthalten ist, mittteilen. Außerdem muss er ihm diejenigen Sicherheitsinformationen übermitteln, die für eine gefahrlose Verwendung des Produktes nötig sind.
  • Informationspflicht gegenüber Verbrauchern – Dieselben Informationen, muss er auch Verbrauchern mitteilen. Allerdings nur dann, wenn die Verbraucher diese Informationen anfordern. Dafür hat der Lieferant 45 Tage Zeit. Eine solche Verbraucheraufklärung kann beispielsweise über das Portal AskREACH und die App Scan4Chem vorgenommen werden.
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Wie können die entsprechenden Informationen über die Stoffzusammensetzung eingeholt werden?

Nun stellt sich natürlich die Frage, wie ein betroffenes Unternehmen die nötigen Informationen beschaffen kann, um seine Pflichten aus der REACH-Verordnung zu erfüllen. Grundsätzlich gibt es zwei Optionen von denen eine klar zu präferieren ist. Das relevante Stichwort lautet: Lieferkettenkommunikation. Langfristig wird ein Unternehmen davon profitieren, ein System in seiner Lieferkette aufzubauen, durch das die entsprechenden Informationen weitergegeben werden. Vor allem in komplizierteren Lieferketten können spezielle IT-Tools die Weitergabe der Stoffzusammensetzung erleichtern. Ein weiterer Weg sind Zertifikate oder Konformitätserklärungen der vorgeschalteten Lieferkettenakteure. Solche Erklärungen und Bescheinigungen sollten allerdings sorgfältig geprüft werden.

Zudem sind Lieferanten von Stoffen und Gemischen aus Artikel 31 REACH dazu verpflichtet ihren Abnehmern ein Sicherheitsdatenblatt zur Verfügung zu stellen, das alle relevanten Sicherheitsinformationen und Anforderungen an den jeweiligen Stoff enthält. Alternativ können Erzeugnisse auch einer chemischen Analyse unterzogen werden. Diese kommt aber oft mit hohen Kosten einher und die Resultate sind nicht immer eindeutig.

Arno Lohmanns | Rechtsanwalt

Herr Rechtsanwalt Arno Lohmanns ist Ihr Ansprech­partner für alle Fragen der inter­nationalen Vertrags­gestaltung, des IT- und des Technologie­rechts. Mit über 25 Jahren Berufs­erfahrung in inter­national tätigen Kanzleien und Industrie­unternehmen findet er für Sie zielsicher maßgeschneiderte vertragliche Lösungen in deutscher und englischer Sprache, nicht nur auf Basis deutschen Rechts, sondern auch auf Basis zahlreicher anderer nationaler Rechtsordnungen. Arno Lohmanns versteht Ihr Geschäftsmodell und die kaufmännischen Zusammenhänge, begleitet Sie bei Ihren geschäftlichen Unternehmungen in anderen Rechtsordnungen und steht Ihnen als kompetenter Verhandlungs­partner zur Seite, insbesondere in allen grenzüberschreitenden Situationen.

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