Erbbaurecht als Lösung in der Wohnraumkrise: BGH-Urteil stärkt Kommunen und Investoren

26. November 2024
LLP Law | Patent

Für private Investoren bietet das Erbbaurecht eine attraktive Möglichkeit, in Immobilienprojekte zu investieren, ohne hohe Anfangskosten für den Erwerb von Grundstücken zu tragen. Doch die rechtlichen Rahmenbedingungen sollten dabei nicht unterschätzt werden. Ein aktuelles Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH, Urteil vom 19.1.2024 – V ZR 191/22 –) stärkt die Position der öffentlichen Hand in Erbbaurechtsverträgen. Es zeigt, wie schnell finanzielle Risiken entstehen können, wenn vertragliche Pflichten nicht erfüllt werden. In diesem Artikel erfahren Sie, welche Konsequenzen das BGH-Urteil für private Investoren hat und wie sie erfolgreich von der Erbbaurechtsregelung profitieren.

Warum Kommunen vermehrt auf das Erbbaurecht zurückgreifen

Das Problem der Wohnraumversorgung verschärft sich in vielen Städten wegen steigenden Grundstückspreisen, begrenzten Bauflächen und wachsender Nachfrage nach bezahlbarem Wohnraum. Besonders in Ballungsräumen steigen die Mieten, während sich immer weniger Menschen den Kauf von Immobilien leisten können.

Gleichzeitig mangelt es an neuen Bauprojekten, da Investoren und Bauträger aufgrund hoher Kosten und regulatorischer Hürden zurückhaltender agieren. Eine Lösung für die Kommunen als Eigentümer von Grundstücken, bietet das sogenannte Erbbaurecht. Es ermöglicht, Grundstücke langfristig zu nutzen, ohne sie direkt kaufen zu müssen. Dies reduziert die hohen Anfangskosten für Bauprojekte, was den Bau von Wohnraum fördert und Investoren sowie Kommunen entlastet. Zudem bleibt das Grundstück im Besitz der Kommune. Dies stellt eine langfristige Kontrolle über die Nutzung sicher. Dadurch können Städte und Gemeinden gezielt Wohnraum schaffen, ohne ihr Eigentum an den Grundstücken zu verlieren.

Richtig eingesetzt, kann das Erbbaurecht also als Mittel der städtebaulichen Entwicklung dienen. Probleme können allerdings im Bereich der Nutzungskontrolle auftreten: Wie kann die Gemeinde sicherstellen, dass der Erbbauberechtigte das Grundstück im Sinne ihrer Pläne für die zukünftige Stadtentwicklung nutzt? Welche Maßnahmen kann sie vornehmen, wenn ihr Vertragspartner gegen die geplante Nutzung verstößt? Anfang des Jahres beschäftigte sich der BGH mit einem vergleichbaren Fall. Sein Urteil vom 19. Januar 2024 stärkt die Rechtsposition der öffentlichen Hand im Erbbaurecht. Daher geben wir Ihnen im folgenden Artikel eine Übersicht über das Urteil und die Konsequenzen für Unternehmen, die solche Erbbauverträge mit der öffentlichen Hand eingehen möchten.

Hintergrundwissen zum Erbbaurecht

Zunächst ein paar Grundlagen zur Rechtsfigur des Erbbaurechts: Das Erbbaurecht ist ein besonderes Rechtsinstrument, das es ermöglicht, auf fremdem Grund und Boden zu bauen, ohne das Grundstück selbst erwerben zu müssen. Die rechtlichen Grundlagen sind im Erbbaurechtsgesetz (ErbbauRG) verankert. Das Erbbaurecht wird meist für 60 bis 99 Jahre eingeräumt und gibt dem Erbbauberechtigten weitgehende Nutzungsrechte. Einschließlich der Möglichkeit das Recht zu verkaufen oder zu vererben. Der Grundstückseigentümer, der sogenannte Erbbaurechtsgeber, bleibt Eigentümer des Bodens und erhält in der Regel einen Erbbauzins. Im Grundbuch wird das Erbbaurecht als eigenes Recht eingetragen, um die Stellung des Erbbauberechtigten abzusichern. Dies schafft langfristige Planungssicherheit für den Erbbauberechtigten, während der Erbbaurechtsgeber die Kontrolle über das Grundstück behält.

Zudem werden im Erbbaurechtsvertrag wesentliche Punkte wie die Anpassung des Erbbauzinses, Regelungen zur Nutzung und Instandhaltung sowie eine mögliche Entschädigung für Bauwerke bei Ablauf des Erbbaurechts festgehalten.

Worum ging es in der Entscheidung des BGH?

Bei der Klägerin handelte es sich um eine Gemeinde aus Baden-Württemberg. Sie schloss im Jahre 2014 mit dem Beklagten einem Vertrag über das Erbbaurecht an einem Grundstück der Gemeinde. Das Ziel des Vertrages war die Errichtung einer religiösen Einrichtung, einer Moschee.  Der Vertrag sollte über 60 Jahre laufen mit einer Verlängerungsoption von 30 Jahren und einem gestaffelten Erbbauzins. Zudem wurde vereinbart, dass der Beklagte vier Jahr Zeit hatte, den ersten Teil des Bauvorhabens umzusetzen. Andernfalls drohte der Heimfall, mit dem die Gemeinde das Erbbaurecht zurückverlangen konnte, ohne eine Entschädigung für die Gebäude zu zahlen.

Der Heimfall bezeichnet das Recht des Erbbaurechtsgebers, das Erbbaurecht vorzeitig zurückzuverlangen, wenn bestimmte vertraglich vereinbarte Bedingungen nicht erfüllt werden. Typische Gründe für einen Heimfall sind schwerwiegende Vertragsverstöße des Erbbauberechtigten, wie z.B. die Nichtfertigstellung eines Bauprojekts innerhalb einer festgelegten Frist. Der Baubeginn verzögerte sich im vorliegenden Fall, sodass die Klägerin 2018 den Heimfall geltend machte. Der Beklagte hielt dies für unverhältnismäßig und beanstandete den Ausschluss der Heimfallvergütung, der seiner Meinung nach gegen das Baugesetzbuch verstoße.

Das sagt der Gerichtshof:

Der BGH entschied im vorliegenden Fall zu Gunsten der Gemeinde. Er hielt sowohl die verpflichtende Nutzung innerhalb der gesetzten Fristen als auch den Ausschluss der Heimfallvergütung für zulässig und angemessen.

Zum einen argumentierte der Gerichtshof, dass es keine schwerwiegende Belastung darstellt, wenn die Gemeinde dem Beklagten eine bestimmte Nutzung auferlegt. Der Grund: Die Gemeinde trifft gerade deswegen Erbbauchrechtsvereinbarungen, weil Sie damit ein konkretes Ziel verfolgt. Die Auslagerung des Gebäudebaues auf Private dient einem öffentlichen Zweck und soll öffentliche Interessen der Region fördern. Der vorliegende Fall ist ein gutes Beispiel für solch einen öffentliche Zweck. Die Gemeinde verfolgte das Ziel, auch muslimischen Mitbürgern die Religionsausübung zu ermöglichen. Daher machte der Erbbauvertrag für die Gemeinde nur Sinn, wenn am Ende auch eine Moschee auf dem Grundstück errichtet wird. Der BGH sieht darin auch keinen Grundrechtsverstoß, da der Beklagte aus der Religions- oder Eigentumsfreiheit keinen Anspruch für sein Projekt ableiten kann.

Ebenso stellt der Gerichtshof fest, dass der Ausschluss der Vergütung für diesen konkreten Fall zulässig ist. Warum? Man stelle sich vor, die Gemeinde hätte eine solche Vergütungspflicht im Heimfall: Sie müsste in kurzer Zeit hohe Summen aus dem Haushalt für das Bauwerk zur Verfügung stellen. Und das vor dem Hintergrund der aktuell schlechten finanziellen Lage vieler Kommunen. Die Gemeinde müsste außerdem eine alternative Nutzung für das Bauwerk finden. Dies kann besonders problematisch sein, wenn aufgrund der Marktlage oder des baulichen Zustands keine Nachfrage besteht. Noch schwieriger gestaltet sich dies, wenn das Bauwerk aufgrund seiner speziellen Zweckbestimmung (z.B. als Moschee) von vornherein schwer zu vermarkten war.

Im vorliegenden Fall kam der Klägerin zudem eine Sache zugute: Der Beklagte hatte es selbst zu verschulden, dass er das Gebäude nicht rechtzeitig fertigstellte. Um einen entschädigungslosen Heimfall zu verhindern, liegt es in seiner Verantwortung, die vertraglichen Pflichten zu erfüllen. Andernfalls muss er damit rechnen, keine Vergütung für seine Investitionen zu erhalten.

Verpflichtende Vornahme einer sog. „Ausübungskontrolle“

Allgemein stellt der BHG fest, dass natürlich immer eine sogenannte „Ausübungskontrolle“ vorgenommen werden muss, wenn die Heimfallvergütung ausgeschlossen ist. Hier spielt vor allem die Verhältnismäßigkeit eine Rolle. Die Gemeinde muss stets den Grund des Heimfalls und die tatsächliche Schwere des Vertragsverstoßes berücksichtigen. Ebenso muss sie in ihre Erwägungen miteinbeziehen, welche Auswirkungen der Ausschluss der Vergütung auf den jeweiligen Vertragspartner hat. Unverhältnismäßig ist der Vergütungsausschluss beispielsweise, wenn dem Vertragspartner kein Verschulden nachgewiesen werden kann oder das Bauwerk innerhalb der Frist so gut wie fertiggestellt wurde. Auch bereits geleistete Investitionen des Vertragspartners oder sonstige Nutzungsmöglichkeiten der Gemeinde sind hier relevant.

Fazit und Handlungsempfehlungen

Private Investoren, die darüber nachdenken, einen Erbbaurechtsvertrag mit der öffentlichen Hand einzugehen, sollten ihr Vorhaben daher nicht auf die leichte Schulter nehmen. Die Rechtsprechung sympathisiert in dieser Thematik mit den Interessen der Gemeinden. Lassen Sie etwaige Erbbaurechtsvereinbarungen gründlich von einem Rechtsanwalt prüfen. Stellen Sie so sicher, dass Sie die Folgen eines Vertragsverstoßes kennen und somit finanzielle Risiken vermeiden. Unsere Rechtsanwälte von LLP Law|Patent unterstützen Sie gerne bei der Vertragsgestaltung im Erbbaurecht oder bei daraus erwachsenen Rechtsstreitigkeiten.

Robert Lankes | Rechtsanwalt

Herr Rechtsanwalt Robert Lankes betreut bei LLP Law|Patent die Bereiche Gesellschaftsrecht, gewerblicher Rechtsschutz und Bau- und Immobilienrecht. Er unterstützt Sie beispielsweise bei der Wahl der richtigen Rechtsform, bei Gründung von Gesellschaften, bei Streitigkeiten zwischen Gesellschaftern und bei Unternehmenskäufen. Im gewerblichen Rechtsschutz vertritt er Sie im Rahmen von Wettbewerbsverstößen, Abmahnungen und in einstweiligen Verfügungsverfahren und Hauptsacheverfahren. Im Bau- und Immobilienrecht berät er Bauträger und Handwerksunternehmen ebenso wie Wohnungskäufer oder Miteigentümer. Herr Rechtsanwalt Lankes steht Ihnen als erfahrener Verhandlungspartner und Prozessvertreter sowohl in Verhandlungen und Gesprächen mit Dritten als auch vor Gericht zur Seite.

Robert Lankes - LLP Law|Patent