Urheberrechtliche Ansprüche gegen Cloud-Anbieter

Die §§ 54 ff. des Urheberrechtsgesetzes (UrhG) dienen dazu einen gerechten Ausgleich zwischen Herstellern von Geräten oder Speichermedien und Urhebern geschützter Werke zu schaffen, wenn solche typischerweise mit oder auf solchen Geräten bzw. Medien vervielfältigt werden können. Sie regeln die sogenannte Urheberrechtsabgabe (auch Pauschalabgabe genannt). Der Hauptzweck dieser Regelungen besteht darin, die Rechte der Urheber zu schützen und ihnen eine Vergütung für die private oder sonstige erlaubte Nutzung ihrer Werke ohne direkte Lizenzierung zu sichern. Das bedeutet ohne, dass dafür jedes Mal eine individuelle Erlaubnis eingeholt oder eine direkte Gebühr an den Urheber gezahlt wurde. Durch diesen Mechanismus wird sichergestellt, dass Kreative und Künstler für ihre Leistung und ihren Beitrag zu Kultur und Gesellschaft angemessen entlohnt werden. Auch dann, wenn ihre Werke in großem Umfang reproduziert werden.
Die Diskussion darüber, wer die Urheberrechtsabgabe zu leisten hat, hat sich jedoch mit der zunehmenden Verbreitung von Cloud-Diensten weiterentwickelt. Ein jüngstes Urteil des OLG München stellt nun klar, inwiefern Cloud-Anbieter von den Abgabe- und Meldepflichten im Rahmen des Urheberrechts betroffen sind.
Haftung der Hersteller von Speichermedien
Hersteller von Geräten und Speichermedien, die zur elektronischen Vervielfältigung von urheberrechtlich geschützten Inhalten genutzt werden können, sind laut den §§ 54 ff. UrhG zur Zahlung einer Urheberrechtsabgabe verpflichtet. Diese Regelung betrifft nicht nur die Produzenten, sondern erstreckt sich auch auf Importeure und Verkäufer solcher Produkte, wenn die Produzenten ihren rechtlichen Verpflichtungen nicht nachkommen.
Die Höhe dieser Urheberrechtabgabe richtet sich nach der Anzahl der hergestellten oder verbreiteten Speichermedien. Daher enthalten die §§ 54 ff. UrhG auch Auskunfts- und Meldepflichten über die Stückzahl der relevanten gewerblich veräußerten Geräte und Speichermedien. Kommt ein Hersteller dieser Auskunftspflicht nicht nach, kann sich die Abgabepflicht entsprechend erhöhen. Relevante Geräte sind beispielsweise USB-Sticks, Speicherkarten und Festplatten, aber auch PCs, Tablets und Smartphones.
Neben solchen „klassischen“ Speichermedien wurden in den vergangenen Jahren auch sogenannte Cloud-Dienste für die persönliche und gewerbliche Datensicherung oder Verbreitung relevanter. Ein bekanntes Beispiel ist AWS (Amazon Web Services). Unterfallen die Anbieter entsprechender Cloud-Systeme auch den Abgabe- und Auskunftspflichten der Urheberrechtsgesetztes? Mit dieser Frage hat sich kürzlich das OLG München beschäftigt (OLG München, Endurteil v. 02.02.2024 – 38 Sch 60/22 WG e).
Urteil des OLG München zur Urheberrechtsabgabe von Cloud-Anbietern
Bei den am Rechtsstreit Beteiligten handelt es sich zum einen um die Zentralstelle für private Überspielungsrechte (ZPÜ). Zum anderen um ein Unternehmen, das Cloud-Dienste anbietet. Die ZPÜ ist ein Zusammenschluss von deutschen Verwertungsgesellschaften. Sie ist damit beauftragt, entsprechende Ansprüche aus dem Urheberrecht im Auftrag der Verwertungsgesellschaften geltend zu machen. Der Cloud-Anbieter stellt seinen Kunden einen Cloud-Arbeitsbereich zur Verfügung, mit dem diese Daten speichern, freigeben und für die gemeinsame Arbeit teilen können.
Im Vorfeld hatte der Cloud-Anbieter das Auskunftsersuchen der ZPÜ abgewiesen. Die ZPÜ argumentierte, dass die Cloud-Dienste von ihren Kunden genutzt wurden, um Kopien urheberrechtlich geschützter Inhalte zu erstellen. Daher sei eine „Cloud“ als Gerät und Speichermedium i.S.d. § 54 UrhG zu verstehen. Dagegen wehrte sich der Beklagte mit folgender Begründung: Cloud-Dienste bestehen aus Hardware wie Servern und können nur mit Hilfe von PCs, mobilen Endgeräten, etc. in Anspruch genommen werden. Die Hersteller dieser Geräte entrichten allerdings bereits eine Abgabe gemäß Urheberrechtsgesetz. Eine Inanspruchnahme von Cloud-Anbieter hätte daher eine Überkompensation zur Folge.

Entscheidung: Urheberrechtliche Ansprüche gegen Cloud-Anbieter
Das Gericht lehnte die Klage der ZPÜ ab. Geräte und Speichermedien i.S.d. Urheberrechtsgesetz seien nur körperliche Gegenstände bzw. physikalische Informations- und Datenträger. Die Bereitstellung von Cloud-Diensten ist hingegen als Bereitstellung von Dienstleistungen zu verstehen. Die Speicherplätze, die der Cloud-Anbieter seinen Kunden zur Verfügung stellt, sind keine Sachen. Auch ist die Cloud nicht als eine auf einem Datenträger verkörperte Software zu verstehen. Ohne zusätzliches Gerät oder Speichermedium, kann die Cloud nicht benutzt werden. Somit stimmt das Gericht dem Argument der Überkompensation zu: Durch das deutsche Urheberrecht erhalten die Urheber bereits von Herstellern, Importeuren und Händlern entsprechender Speichermedien einen angemessenen finanziellen Ausgleich. Die ZPÜ hat also keinen Anspruch gegen den Cloud-Anbieter.

Fazit und Ausblick
Zusammengefasst lässt sich also Folgendes feststellen: Cloud-Dienste sind keine Geräte und Speichermedien i.S.d. §§ 54 ff. UrhG. Damit sind Cloud-Anbieter nicht zu einer Urheberrechtsabgabe verpflichtet. Diese Interpretation der Normen entspricht auch den EU-Richtlinien im Bereich Urheberrecht. Die EU-Mitgliedsstaaten haben hier relativ großen Spielraum: Sofern ein angemessener finanzielle Ausgleich auf andere Weise sichergestellt ist, können die Mitgliedsstaaten Cloud-Anbieter von der Vergütungspflicht befreien. Im deutschen Recht ist dies durch die Inanspruchnahme von Herstellern, Importeuern und Händlern physischer Datenträger gesichert. Ob der Gesetzgeber zukünftig auch Cloud-Anbieter in diesen Kreis aufnimmt, bleibt abzuwarten.
Bei Fragen zum Thema Urheberrecht und Cloud-Dienstleistungen, kontaktieren Sie gerne unsere Kanzlei LLP Law|Patent in München.
Sebastian Helmschrott | Rechtsanwalt, Fachanwalt für Informationstechnologierecht und Fachbereichsleiter IT-Recht beim BISG e.V.
Herr Rechtsanwalt Sebastian Helmschrott ist bei LLP Law|Patent Ihr kompetenter Ansprechpartner für Vertragsgestaltungen, insbesondere für international tätige Unternehmen im Bereich der Halbleiterindustrie sowie anderer moderner Technologien, z. B. LED/OLED, Embedded Systems und softwaregestützte Prozesse. Er betreut erfahren Ihre IT-Vergabeverfahren mit nationalen und internationalen Bezügen sowie die Bereiche IP-Recht mit Schwerpunkt Lizenzen und Forschungskooperationen.