Zur Verantwortlichkeit des Seitenbetreibers

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I. Verantwortlichkeit von Bewertungsportalen:

Das Landgericht Frankfurt am Main (Urteil vom 05.03.2015, Az 2-03 O 188/14) hat eine interessante Entscheidung zur Frage der Haftung von Bewertungsportalen getroffen.

Grundsätzlich gilt im deutschen Recht, dass der Portalbetreiber keine Pflicht hat, die von Dritten beigesteuerten Inhalte aktiv auf deren rechtlichen Vereinbarkeit zu prüfen. Er ist jedoch dazu angehalten, Inhalte zu entfernen, sobald ihm ein Rechtsverstoß bekannt wird. Achtung ist daher mit Klauseln geboten, die zum Ausdruck bringen, dass Inhalte der Webseite regelmäßig einer Prüfung unterzogen würden. Diese häufig nur als „Drohung“ gemeinte Formulierung hat zur Folge, dass der Plattformbetreiber sich an diese festhalten muss.

Das Landgericht Frankfurt geht einen Schritt weiter, welches für eine erhebliche Rechtsunsicherheit bei den betroffenen Portalbetreibern sorgt. Eine Ärztin hatte sich gegen eine schlechte Bewertung gewehrt und den Plattformbetreiber angeschrieben. Dieser erkundigte sich beim Patienten und kam zu dem Schluss, dass die Behauptungen für ihn wahr klangen. Nachdem außergerichtlich keine Einigung erzielt werden konnte, verklagte nunmehr die Ärztin die Bewertungsplattform als Störerin. Das LG Frankfurt stellte nunmehr strenge Anforderungen an die Darlegungslast der Bewertungsplattform: „Da beklagtenseits die Identität des Bewertenden und die zum Vorwurf gemachte Behandlung durch Übersendung der wenig aussagekräftigen Anlage B 2, die angeblich von dem Verfasser der Bewertung stammen soll, nicht offenbart wurden und auch sonst das Schreiben überwiegend geweißt und die angebliche Rechnung ebenfalls gemäß Anlage B 4 geschwärzt wurde, ist es der Klägerin nicht möglich, die Authentizität der Bewertungen von Patienten und den behaupteten Sachverhalt zu konkretisieren, den sie in Abrede stellt.[…] Über diese E-Mail hinaus hat die Beklagte keinen tauglichen Vortrag zum Beleg der Wahrheit der angegriffenen Aussage dargelegt. Neben der vorgelegten, weitestgehend unkenntlich gemachten E-Mail hat sie lediglich B (…) eine Mitarbeiterin aus dem Qualitätsmanagement der Beklagten, als Zeugin benannt.“

Die Entscheidung führt für Portalbetreiber daher zu einem doppelten Dilemma. Sie müssen zum einen erhebliche Nachforschungen und Beweissicherungen durchführen, ob eine Rechtsverletzung vorliegt und im Zweifel (wenn Rechte des Betroffenen einer Rechtsverteidigung entgegenstehen) Beiträge löschen. Gerade bei medizinischen oder anderen stark fachlichen Sachverhalten, wird es jedoch sehr häufig der Fall sein, dass der Plattformbetreiber sich selbst von der Wahrheit einer Aussage nur schwer überzeugen kann.

 

II. Verantwortlichkeit beim Teilen via (Facebook) Share-Button:

Unter zahlreichen Online-Zeitungsartikeln, Blogbeiträgen usw. finden sich Share-Button, mit denen Artikel über den eigenen Social-Media-Auftritt weiter mit Freunden/Followern geteilt werden können. Nicht selten kommt es auf diese Weise zu Kettenreaktionen und es findet eine schnelle Verbreitung im Netz statt.

Da es sich bei Artikeln in aller Regel durchaus um Werke mit Schöpfungshöhe im Sinne des deutschen Urheberrechts handelt, greift bezüglich dieser der Urheberschutz voll und ganz. Dem Autor stehen also sämtliche Urheberpersönlichkeitsrechte sowie Verwertungsrechte zu; ggf. wurden auch letztere an einem anderen Rechteinhaber übertragen.

Grundsätzlich ist jedoch davon auszugehen, dass derjenige, der seinen Blogbeitrag oder Artikel mit Share-Buttons versieht, auch damit einverstanden ist, wenn Dritte sodann von diesen Button Gebrauch machen und den Artikel teilen. Es dürfte dabei hinreichend bekannt sein, dass es zu einer „Kettenreaktion“ in den Sozialen Medien kommen kann, so dass auch weiteres Teilen von diesem Einverständnis gedeckt ist (i.d.S. auch LG Frankfurt, 17.07.2014, Az 2.03 S 2/14).

Nicht selten stößt man in der anwaltlichen Beratung auf die Meinung, dass Artikel aus Zeitungen ungehindert verbreitet werden dürfen. Für Zeitungsartikel und Rundfunkkommentare lohnt sich daher ein Blick auf § 49 Abs. 1 UrhG. Dieser erlaubt in gewissen Grenzen die Verbreitung und Vervielfältigung (bzw. öffentliche Wiedergabe) solcher Inhalte durch Dritte. Diese Rechte sind jedoch an strenge Voraussetzungen gebunden und privilegiert wird nur die Verbreitung und Vervielfältigung in Zeitungen und anderen Informationsblättern dieser Art. Zudem besteht ein Vergütungsanspruch, der durch eine Verwertungsgesellschaft geltend gemacht werden kann. Das Sharing via Share-Button ist also durch diese Vorschrift nicht gedeckt. Interessant ist jedoch, dass das Verbreitungs- und Vervielfältigungsrecht sehr weit geht und nicht nur Artikel, sondern auch „mit Ihnen im Zusammenhang veröffentlichte Abbildungen“ von § 49 Abs. 1 UrhG erfasst sind (vgl. hierzu ausführlich Schricker/Loewenheim, Urheberrecht, Kommentar, 4. Auflage 2010, § 49 UrhG). Weniger restriktiv ist der Anwendungsbereich des § 49 Abs. 2 UrhG, der lautet: „Unbeschränkt zulässig ist die Vervielfältigung, Verbreitung und öffentliche Wiedergabe von vermischten Nachrichten tatsächlichen Inhalts und von Tagesneuigkeiten, die durch Presse und Funk veröffentlicht worden sind […]“. Zum Teil wird bereits vertreten, dass solchen Nachrichten die notwendige Schöpfungshöhe fehlt und daher bereits ohnehin nicht dem Urheberschutz unterliegen. Nur besonders „geistreiche“ Formulierungen würden daher unter dem Anwendungsbereich des § 49 Abs. 2 UrhG fallen. Diese Meinung ist nicht ganz abwegig, da es sich tatsächlich nur um Wiedergaben von Ereignissen handeln darf (z.B. heute um 17.00 Uhr MEZ fand eine Demonstration unter dem Eifelturm statt). Nicht mehr gedeckt von § 49 Abs. 2 UrhG wären solche Inhalte, die bereits Betrachtungen, Kommentare usw. enthalten (z.B. Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit? Nichts von dem entdeckte man auf der heute um 17.00 Uhr MEZ stattfindenden Demonstration unter dem  Eifelturm.). § 49 Abs. 2 UrhG enthält anders als § 49 Abs. 1 UrhG keine Begrenzung der Medien. Es kann also nicht nur in Zeitungen und Informationsblättern, sondern auch z.B. in Fachzeitschriften veröffentlicht werden (vgl. hierzu ausführlich Schricker/Loewenheim, Urheberrecht, Kommentar, 4. Auflage 2010, § 49 UrhG). Soweit ersichtlich gibt es bislang keine Rechtsprechung dazu, ob auch das Teilen solcher Nachrichten über die Sozialen Medien geschützt ist. Der Gedanke ist zumindest nicht abwegig, da auch diese mittlerweile gängige Kommunikationskanäle sind.

Eine neue Problematik in diesem Zusammenhang wurde letzten Monat durch die Kollegen Wilde, Beuger, Solmecke (https://www.wbs-law.de/internetrecht/erster-nutzer-fuer-das-teilen-eines-artikels-ueber-den-facebook-share-button-abgemahnt-59962/) in den Sozialen Netzwerken verbreitet. Ein Internetnutzer hatte eine Abmahnung erhalten, weil er einen Artikel über den Share-Button geteilt hat und sich hierdurch ein Fotograf in seinen Rechten auf Urheberbenennung verletzt sah, nachdem das dem Artikel beigefügte Foto mit auf die Facebook-Seite geladen worden ist. Einen Einfluss auf das „Mitteilen“ des Fotos haben die Internetuser bei Betätigung des Share-Buttons nicht und erst recht nicht auf die Urheberrechtsbenennungen im Bild.
Hier könnte sich wieder einmal die Schärfe des Urheberrechts zeigen, welches sehr strenge Maßstäbe ansetzt und den Nutzer von Inhalten in die Pflicht nimmt, sehr genau zu prüfen, ob und welche Lizenzen bestehen. Es erscheint daher nicht abwegig, dass ein Gericht zu dem Ergebnis käme, dass die Abmahnung gerechtfertigt wäre und der betroffene Internetuser nur der Regress gegenüber dem Webseitenbetreiber offen stände. Da bislang jedoch zu dieser Frage, soweit ersichtlich, kein Urteil vorliegt, wird dieser Fall mit Spannung zu beobachten sein.
Ferner zeigt sich auch gerade an dieser Frage wieder, dass das Urheberrecht einer gründlichen Überarbeitung durch den Gesetzgeber bedarf, dessen Grundkonzept nicht für die digitalen Medien entwickelt wurde und damit gerade im Web 2.0 für den einfachen Internetuser zahlreiche Fallen und Risiken birgt, die kaum überschaubar sind und für welche vielerorts bereits das Problembewusstsein fehlt. Eine gesetzlich neu geregelte Verteilung der Risiken wäre daher dringend notwendig.

 

 

III. Zusammenfassung

Als Fazit ist festzuhalten, dass die neuen Medien und das Web 2.0 eine Herausforderung für das Recht darstellen. Teilweise lässt sich den Problemen durchaus mit den bestehenden Normen beikommen, jedoch erscheinen die Ergebnisse – insbesondere hinsichtlich der Risikoverteilung – nicht immer befriedigend. Bislang fehlt es auch häufig an gesicherten Standards. So ist sicherlich verständlich, wenn eine Ärztin (die im Übrigen einen Konkurrenten hinter der miesen Beurteilung vermutete) sich gegen schlechte und im Ergebnis rufschädigende Bewertungen wehren will), jedoch fühlten sich bislang aufgrund der Rechtsprechung Portalbetreiber durchaus auf der sicheren Seite, wenn sie nur auf Beschwerde prüften und ggf. nach einer internen Prüfung entschieden, dass eine Bewertung glaubhaft war. Nachdem aber letztlich für den Portalbetreiber nur sehr schwer beweisbar ist, dass eine Bewertung tatsächlich zutreffend ist, werden sie – um Klagen zu vermeiden –vermehrt löschen müssen. Wünschenswert wären daher für die Portalbetreiber – die erschwerenderweise ein „Massengeschäft“ haben – greif- und nachvollziehbare Richtlinien. 

Noch härter könnte es Tausende von Internetusern treffen, die via Share-Button interessante Neuigkeiten verbreiten. Für diese ist kaum nachhaltbar, ob und welche Lizenzen denn nun tatsächlich vorliegen. Auch diesem wird zu begegnen sein, indem man die „Sharer“ entweder gesetzlich aus der Haftung nimmt oder den Webseitenbetreibern, die zum Sharing auffordern, mehr Transparenz zur Lizenzsituation abverlangt; dieses möglichst kurz, bündig und leicht verständlich.

 

Frau Rechtsanwältin Patricia Lotz berät bei den rbi Rechtsanwälten u.a. in den Bereichen Internet- und Urheberrecht. Dieser Artikel entstand im Anschluss zu zahlreichen Fragen aus diesem Bereich während der ReCampaign 2015. Ergänzend verweisen wir auf unser E-Paper zum Thema „Nur rechtlich richtig ist auch sozial“.

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