Dauerbrennpunkt Urheberrechtreformgesetz

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Bild von Gerd Altmann auf Pixabay

 

Der neue 51 a UrhG – Karikatur, Parodie und Pastiche

Aufgrund von zahlreichen Reformen im Urheberrecht kam es in letzter Zeit vermehrt zu Diskussionen, inwiefern die Rechte von Werknutzern/innen oder deren Urhebern/innen durch die gesetzlichen Neuerungen eingeschränkt bzw. gestärkt werden.

Dabei schafft vor allem der neue § 51a UrhG die meisten Herausforderungen für Künstler. Dieser erlaubt zwar die Nutzung von veröffentlichten Werken zum „Zweck der Karikatur, der Parodie und des Pastiches“, jedoch nur „sofern die Nutzung in ihrem Umfang durch den besonderen Zweck gerechtfertigt ist."

Es stellt sich vor allem die Frage, was der „besondere Zweck“ sein soll und ob die Norm Rechtssicherheit oder doch eher Unsicherheit bei den Betroffenen schaffen wird. Die Ausführung zum Referentenentwurf beschreibt den besonderen Zweck als solchen, der sowohl die Interessen der Urheber, als auch die der Nutzer berücksichtigt. Zudem basiert die geplante Norm auf Artikel 5 Absatz 3 Buchst. k der EU-Richtlinie 2011/29/EG vom 22. Mai 2001 (DSM-RL). Gemäß Art. 5 Absatz 5 dürfen die u. a. in Absatz 3 genannten Ausnahmen und Beschränkungen nur in bestimmten Sonderfällen angewandt werden, in denen die normale Verwertung des Werks oder des sonstigen Schutzgegenstands nicht beeinträchtigt wird und die berechtigten Interessen des Rechtsinhabers nicht ungebührlich verletzt werden. Daher kann davon ausgegangen werden, dass ein „besonderer Zweck“ u. a. dann gegeben sein könnte, wenn die Übernahme zum Zweck der Karikatur, der Parodie oder des Pastiches unerheblich bzw. geringfügiger Natur ist, sodass die Interessen des Rechteinhabers an der Verwertung seines Werks nicht übergebührlich beeinträchtigt werden. Dennoch ist nicht ersichtlich, in welchem konkreten Rahmen sich eine „gebührliche Verletzung“ von berechtigten Interessen bewegen kann. Richtungsweisend könnte dabei die „Metall auf Metall“ Entscheidung des EuGHs sein. Der sah das Sampeln von Tonsequenzen fremder Rechteinhabern ohne deren Erlaubnis als rechtmäßig an, solange sie nicht wiedererkannt werden konnten, da auf diese Weise ein neues Werk entstehe, Urteil vom 29. Juli 2019 (C-476/17).

In jedem Fall ist die Kommunikation mit dem Urheber vor der Übernahme von entscheidender Bedeutung für den Nutzer.


Das neue Gesetz über die urheberrechtliche Verantwortlichkeit von Diensteanbietern für das Teilen von Online-Inhalten (Urheberrechts-Diensteanbieter-Gesetz – UrhDaG) und die Reformen des UrhG.

 

UrhDaG als eigenständiges Gesetz

 

Um der neuen EU-DSM Richtlinie sowie der neuesten Rechtsprechung des EuGH gerecht zu werden, waren einige Reformen des deutschen Urheberrechts notwendig. Allerdings stellt sich die Frage, weshalb dies im Falle der Diensteanbieter mittels eines eigenständigen Gesetzes geschehen ist.

Zum einen sind die Reformen sehr umfangreich, weshalb deren Implementierung in ein bestehendes Gesetz sich durchaus schwierig gestaltet hätte. Zudem legte die EU-Richtlinie vor allem einen Wert auf die Regelung der Diensteanbieter-Pflichten beim Urheberrechtsschutz. Somit setze das Stammgesetz laut Bundesministerium für Justiz und Verbraucherschutz als Artikel 3 dieses Entwurfs in einem neuen Stammgesetz Artikel 17 der Europäischen DSM-Richtlinie um und ordnet somit die urheberrechtliche Verantwortlichkeit von Upload-Plattformen für die von ihren Nutzern hochgeladenen Inhalte neu (§ 1 UrhDaG-E).

Die Plattformen sollen auf diesem Wege für die öffentliche Wiedergabe dieser Inhalte nun grundsätzlich urheberrechtlich verantwortlich gemacht werden und können sich nur dadurch von ihrer Haftung befreien, wenn sie den konkret geregelten Sorgfaltspflichten nachkommen. Hierzu wird zum einen die Pflicht zählen, bestimmte Lizenzen für die öffentliche Wiedergabe urheberrechtlich geschützter Werke zu erwerben (§ 4 UrhDaG-E). Sind geschützte Inhalte nicht lizenziert und ist die Nutzung nicht gesetzlich oder vertraglich erlaubt, so ist der Diensteanbieter verpflichtet, nach einer Information des Rechtsinhabers die entsprechenden Inhalte zu blockieren (§§ 7 und 8 UrhDaG-E).

Gemäß §§ 9 bis 12 UrhDaG-E sehen besondere Regeln für die öffentliche Wiedergabe vor und führen hierfür das Konzept der mutmaßlich erlaubten Nutzungen (§ 9 Absatz 2 UrhDaG-E) ein: Bestimmte benutzergenerierte Inhalte, die einen hinreichenden Anhalt dafür bieten, dass die Verwendung geschützter Inhalte Dritter gesetzlich erlaubt ist, muss der Diensteanbieter grundsätzlich bis zum Abschluss eines etwaigen Beschwerdeverfahrens öffentlich wiedergeben (§ 9 Absatz 1 und 2 UrhDaG-E). Das ist dann der Fall, wenn Werke Dritter entweder nur in geringem Umfang genutzt werden, oder aber vom Nutzer als gesetzlich erlaubt gekennzeichnet sind. Auf diese Weise soll die unverhältnismäßige Blockierung entsprechender Uploads beim Einsatz automatisierter Verfahren vermieden werden.

Vertrauenswürdige Rechtsinhaber können die Wiedergabe nach § 14 Absatz 4 UrhDaG-E bei erheblicher wirtschaftlicher Beeinträchtigung nach einer Beschwerde bis zur Entscheidung über diese unterbinden, wenn die Vermutung zu widerlegen ist. Die Kreativen erhalten für lizenzierte Nutzungen zudem einen Direktvergütungsanspruch gegen die Plattformen (§ 4 Absatz 3 UrhDaG-E). Sollte es zu Streitigkeiten zwischen Plattformen, Rechtsinhabern und Nutzern kommen, stehen spezielle Beschwerdeverfahren zur Verfügung (§§ 14 und 15 UrhDaG-E).
Trotz der Schaffung eines eigenständigen Gesetzes wird laut BMJV auch das bestehende Urheberrechtsgesetz (UrhG) beeinflusst. Zum einen werden bestehende Normen abgeändert bzw. ergänzt. Zum anderen sollen neue Regelungen hinzutreten, um den Anforderungen aus dem neuen Gesetz gerecht zu werden. Welche Änderungen des UrhG auf uns zukommen, wird im Folgenden genauer erläutert.

Auswirkungen des Referentenentwurfs auf das bestehende UrhG

 


Aufgrund des UrhDaG soll zukünftig ein stärkeres Presseverleger-Leistungsschutzrecht eingeführt werden, der die wirtschaftlich-organisatorische und technische Leistung der Presseverleger bei der Erstellung von Presseveröffentlichungen schützen soll (§§ 87f bis 87k UrhG-E). Bereits bestehende Vorschriften des Urhebervertragsrechts, also die Regeln für Verträge zwischen Kreativen und Verwertern, werden durch das neue Gesetz angepasst und damit verändert (§ 32 UrhG-E). Außerdem soll der kollektive Rechtsschutz gestärkt werden (§ 36d UrhG-E). Zudem wurden die gesetzlichen Nutzungserlaubnisse für das Text- und Data-Mining, einer Schlüsseltechnologie für maschinelles Lernen und Künstliche Intelligenz nun auch im UrhG geregelt (§ 44b, 60d UrhG-E). Darüber hinaus beinhaltet der Referentenentwurf Regelungen für den digitalen und grenzüberschreitenden Unterricht sowie für die Lehre, wie auch die Erhaltung des Kulturerbes (§§ 60e, 60f UrhG-E). Im Interesse der Nutzerinnen und Nutzer wird der Gebrauch urheberrechtlich geschützter Werke zu den Zwecken der Karikatur, der Parodie und des Pastiches nun erlaubt (§ 51a UrhG-E). Der Entwurf reagiert damit auch auf das Urteil des Europäischen Gerichtshofs im Verfahren „Metall auf Metall“, das Sampling zum Thema hatte. Das Vergeben kollektiver Lizenzen mit erweiterter Wirkung soll zukünftig zudem möglich sein. Dies sei ein neues Element im deutschen Urheberrecht (Extended Collective Licences, ECL, siehe § 51 VGG-E) so das BMJV. Die Sondervorschriften für die Online-Nutzung von vergriffenen Werken, insbesondere von nicht mehr erhältlichen Büchern, werden ebenfalls reformiert (§ 51b VGG-E). Des Weiteren soll die Verlegerbeteiligung neu geordnet werden: So sollen sich Verleger künftig wieder an der Vergütung für gesetzlich erlaubte Nutzungen (Privatkopie) beteiligen (§§ 63a UrhG-E, 27 bis 27b VGG-E). Gleichzeitig werden Vervielfältigungen eines gemeinfreien visuellen Werks, Fotos alter Gemälde, künftig keinen Leistungsschutz mehr genießen. Dadurch werde laut Bundesministerium vor allem der Zugang zum Kulturerbe verbessert (§ 68 UrhG-E). Neue Bestimmungen regeln die Online-Verbreitung von Fernseh- und Radioprogrammen, per Livestream und über Mediatheken (§§ 20b bis 20d, 87 UrhG-E).

Das UrhDaG als Spezialgesetzgebung für die großen amerikanischen Anbieter? Diensteanbieter im Sinne des Gesetzes

 


Bisher ist noch nicht wirklich klar, für welche Social-Media-Plattformen das neue Gesetz überhaupt gelten soll. Nach dem UrhDaG sollen es Dienste sein, „die es als Hauptzweck ausschließlich oder zumindest auch verfolgen, eine große Menge an von Dritten hochgeladenen urheberrechtlich geschützten Inhalten zu speichern sowie öffentlich zugänglich zu machen“, zum Zweck der Gewinnerzielung zu bewerben, diese Inhalte dadurch organisieren und mit anderen Diensten für Online-Inhalte um dieselben Zielgruppen konkurrieren.
Während Videoplattformen nach dieser Definition wohl als klassisches Beispiel eines Diensteanbieters fällt, bemängeln Soziale Netzwerk mit Schwerpunkt auf das Netzwerken und der Werbeschaltung die Unklarheit darüber, welche Plattformen das neue Gesetz trifft. Kurz-Message-Dienste hingegen sind sich sicher, dass ihr Angebot nicht in den Anwendungsbereich des UrhDaG falle.

Fest steht, dass nicht gewinnorientierte Online-Enzyklopädien oder Seiten zum Austausch von Kochrezepten gemäß § 3 UrhDaG nicht davon betroffen sein werden. Dies deutet darauf hin, dass die in § 2 Abs.1 Nr. 1–4 UrhDaG festgelegten Eigenschaften kumulativ erfüllt werden müssen, um Diensteanbieter im Sinne des Gesetzes zu sein.

Laut Referentenentwurf sollen „mittelfristig dreizehn Diensteanbieter“ vom neuen Gesetz betroffen sein. Allerdings ist dies lediglich eine erste Schätzung des BMJV, um den Erfüllungsaufwand zu bemessen.

Geht das UrhDaG zu weit?

 


Doch schießt der Gesetzgeber durch das neue UrhDaG über das Ziel hinaus? Wer an die großen amerikanischen Diensteanbieter sowie an deren möglichen zukünftigen gesetzlichen Pflichten denkt, könnte durchaus solch einen Eindruck gewinnen. Sicherlich justiert Artikel 17 der Europäischen DSM-RL die Verantwortlichkeit von Upload-Plattformen für die Nutzung urheberrechtlich geschützter Inhalte im Internet neu. Das sei laut Bundesministerium jedoch erforderlich, denn der bislang geltende Rechtsrahmen adressiere nur unzureichend, wann solche Plattformen für Urheberrechtsverletzungen haften: Upload-Plattformen seien weder typische „schwarze Bretter im Internet“, also Host-Provider mit Haftungsprivilegien, noch typische „Sender im Internet“, also Content-Provider mit voller Haftung für die Inhalte ihrer Programme.

Sie hätten sich viel mehr als eine neue Kategorie zwischen diesen beiden Kategorien herausgebildet. Somit habe das neue Gesetz den Zweck, eine Wertschöpfung auf Upload-Plattformen stattfinden zu lassen, an der diejenigen, deren urheberrechtlich geschützte Inhalte genutzt werden, partizipieren sollten. Aufgrund einer fehlenden europäischen gesetzlichen Regelung standen bisher die Gerichte in der Pflicht, das geltende Haftungsregime für Upload-Plattformen auszuformen.

Der BGH beantwortete diese Fragen bislang über das Institut der Störerhaftung. Der Europäische Gerichtshof wiederum löste Zweifelsfragen bislang über das unionsrechtlich harmonisierte Recht der öffentlichen Wiedergabe. Zwar würden Upload-Plattformen soziale Interaktionen ermöglichen. Dies habe jedoch auch Schattenseiten. Es gelte somit, die nützlichen Aspekte zu fördern und zugleich schädliche Effekte derlei Interaktionen einzudämmen. Artikel 17 DSM-RL schaffe hierfür einen neuen Ordnungsrahmen, den das UrhDaG-E auf nationaler Ebene ausgestalte.

Dennoch bleiben viele Frage offen: Im Ergebnis können auch viele kleinere Plattformen von dem Gesetz betroffen sein, für die sich die Anschaffung der aufwendigen Upload-Filter-Technik nicht lohnt. Zudem wird befürchtet, dass so auf Umwegen einer Zensur der freien Meinungsäußerung im Netz erfolgt. Größter Kritikpunkt an den Reformen bleibt jedoch, dass hauptsächlich die Verwerter urheberrechtlich geschützter Inhalte und nicht die Urheber und Urheberinnen selbst von der Reform profitieren.


Rechtliche Konsequenzen als Diensteanbieter

Künftig sind Diensteanbieter für alle von ihren Nutzern hochgeladenen Inhalte, die sie zugänglich machen gemäß § 1 UrhDaG urheberrechtlich verantwortlich. Somit müssen sie entweder für die Inhalte Lizenzen erwerben oder dafür sorgen, dass geschützte Inhalte nicht online verfügbar sind. Somit besteht für sie eine unmittelbare Haftung und Kreative haben gemäß § 7 Abs. 1 UrhDaG-E bei Urheberrechtsverstößen einen Direktvergütungsanspruch gegen die Plattform. Zudem profitieren Rechteinhaber gemäß § 6 UrhDaG-E von der Vergütung für Bagatellnutzungen. In Zweifelsfällen sowie bei Streitigkeiten zwischen den Rechteinhabern, Plattformen und Nutzern werden Beschwerdeverfahren eingerichtet. Eine außergerichtliche Streitbeilegung soll ebenfalls möglich sein (§§ 14–18 UrhDaG-E).


Fazit

Einerseits hilft das neue Gesetz, Online-Plattformen, auf denen geschützte Inhalte hochgeladen werden rechtlich einzuordnen und Rechteinhabern eine stärkere Position bei Urheberreichsverstößen zu ermöglichen. Gleichzeitig wirft der Referentenentwurf viele Fragen auf. Sei es die Ungewissheit, was unter dem „besonderen Zweck“ aus dem speziell für § 5 UrhDaG geschaffenen § 51a UrhG zu verstehen ist, oder die Frage danach, wer nun genau als Diensteanbieter vom neuen Gesetz erfasst wird. Sollten keine weiteren Erläuterungen folgen, sind Rechtsstreitigkeiten zukünftig wohl vorprogrammiert.

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