Agiler Softwarevertrag

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Einordnung in die Vertragsarten

Die Frage, ob die Mängelrechte aus einem agilen Softwareentwicklungsvertrag dem Werkvertrags- oder Dienstvertragsrecht unterliegen, bleibt offen. In einem Streit über einen Zahlungsanspruch aus einem agilen Softwareentwicklungsvertrag hat das Oberlandesgericht Frankfurt a.M. dem Auftragnehmer Recht gegeben und fast 160 000 Euro zugesprochen. 

Sachverhalt

Die Parteien haben einen Vertrag über Erstellung einer Internet-Plattform abgeschlossen. Danach sollte das Projekt nach der sogenannten SCRUM-Methode durchgeführt werden. Der Auftragnehmer machte vor dem Gericht geltend, dass er alle Verpflichtungen aus dem Vertrag erfüllt habe und dass der Beklagte (der Auftraggeber) ihm Zahlung der für die Softwareentwicklung vereinbarten Geldsumme schulde. Die Summe belief sich im vorliegenden Fall auf fast 160.000 Euro. Der Beklagte behauptete seinerseits, dass die Leistung mangelhaft sei und der Anspruch aus diesem Grund nicht bestehe. 

Um in dieser Rechtsache zu entscheiden, musste das Gericht festlegen, um welche Vertragsart es sich bei agilen Softwareentwicklungsverträgen handelt. 

Dienstvertrag vs. Werkvertrag

Während der klassische Softwareerstellungsvertrag normalerweise als Werkvertrag eingestuft wird und daher dem Werkvertragsrecht gemäß § 631 ff BGB unterliegt, könnte das agile Programmieren sowohl als Dienstvertrag als auch als Werkvertrag eingeordnet werden. Diese Einordnung ist für die Geltendmachung von Mängelrechten von großer Bedeutung. Während bei einem Werkvertrag der Auftragnehmer die Erstellung einer mangelfreien Software schuldet, schuldet er beim Dienstvertrag nur den ordnungsgemäßen Arbeitseinsatz. Um diese Einordnung durchzuführen, hat das Gericht sich mit dem Inhalt des Vertrags und des SCRUM-Verfahrens befasst. 

SCRUM-Methode

Bei der SCRUM-Methode wird die Softwareerstellung in kleinen Schritten orientiert an den vom Auftraggeber fortlaufend definierten Aufgaben durchgeführt. Dabei wird das Endergebnis der Entwicklung nicht von Anfang an exakt definiert, sondern ergibt sich im Wege der engen Zusammenarbeit zwischen dem Auftraggeber und dem Auftragnehmer. Somit ist das Projekt ständigen Anpassungen unterworfen. Dieses Verfahren eignet sich insbesondere dann, wenn der Auftraggeber selbst keine ausreichende Vorstellung über das Endergebnis hat, um wie bei der klassischen Softwareerstellung ein Lastenheft zu erstellen. 

Das Gericht musste also entscheiden, ob diese im Vertrag festgelegte Arbeitsweise dem dienstvertraglichen oder werkvertraglichen Schuldverhältnis entspricht.

Entscheidung des Landgerichts Wiesbaden (LG Wiesbaden, 30.11.2016 - 11 O 10/15)

Das LG Wiesbaden legt in seinem Urteil vom 30.11.2016 fest, dass das strittige Vertragsverhältnis dem Werkvertragsrecht unterfalle, da bei dem Vertrag es auf den Erfolgseintritt ankomme. Dabei stehe die Tatsache, dass die Parteien eine Vergütungsvereinbarung auf der Grundlage des Zeitaufwands treffen, der Einordnung des Vertrages als Werkvertrag nicht entgegen. 

Entscheidung des Oberlandesgerichts Frankfurt a.M. (OLG Frankfurt, 17.08.2017 - 5 U 152/16)

Das zweitinstanzliche Gericht hat jedoch die Frage, ob der Vertrag ganz oder teilweise dem Werkvertrag zu unterstellen ist, offengelassen, da die Frage im vorliegenden Fall für das Ergebnis keine entscheidende Rolle gespielt hat.

Unterfiele der geschlossene Vertrag dem Dienstvertragsrecht nach § 611 ff BGB, wäre die Forderung ohne weiteres begründet, da die Klägerin unstreitig die geschuldete und abgerechnete Arbeit erbracht hat. 

Zum gleichen Ergebnis käme man auch, wenn man den Vertrag als Werkvertrag einordnen würde. Da das Gericht die Abnahme der Software angenommen hat, stünde dem Auftraggeber zunächst ein Anspruch auf Minderung der Gegenleistung oder sogar auf das Rücktrittsrecht zu. Für die Geltendmachung einer Minderung bzw. eines Rücktritts ist aber eine entsprechende Erklärung bzw. Fristsetzung erforderlich. Da der Auftraggeber vorliegend weder eine Frist zur Nacherfüllung gesetzt noch eine Minderung erklärt hat, konnte er im Verfahren keine Einwendungen gegen die Höhe der Gegenleistung machen. 

Folglich konnte das Gericht die strittige Frage offenlassen und hat keine Entscheidung zur Einordnung des agilen Softwareerstellungsvertrags gefällt, da jede der beiden Einordnungen des Vertrags zur Begründetheit der Klage führte.

Somit hat das Gericht dem Auftragnehmer Recht gegeben und fast 160 000 Euro zugesprochen. 

 

Fazit

Die Frage, ob der agile Softwareentwicklungsvertrag dem Werkvertrags- oder Dienstvertragsrecht unterliegt, bleibt offen. Dabei ist aber unstrittig, dass bei der Einordnung des agilen Softwareerstellungsvertrags der Parteiwille entscheidend ist. Der Parteiwille muss in jedem Fall individuell aufgrund der Parteivereinbarung festgestellt werden. Die bloße Tatsache, dass die Vergütungsvereinbarung auf der Grundlage des Zeitaufwandes getroffen wurde, steht der Einordnung des Vertrages als Werkvertrag nicht entgegen.

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